Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

ATHEN/Athens & Epidauros Festival: OEDIPUS AUF KOLONOS von Sophokles

18.08.2018 | Allgemein, Theater


Copyright: Athens & Epidauros-Festival

Athens & Epidauros Festival/ Antikes Theater von Epidauros

Oedipus auf Kolonos

Besuchte Vorstellung am 17. August 2018

Das diesjaehrige Athens & Epidauros Festival endet mit einem Gastspiel aus Syrakus. Die Produktion der Sophokles‘ Tragoedie „Oedipus auf Kolonos“ markiert den Beginn einer auf drei Jahre angelegten Zusammenarbeit zwischen dem griechischen Kulturevent und dem Festival al Teatro Greco di Siracusa. Dieser kulturelle Austausch wird von den verantwortlichen Ministerien beider Laender unterstuetzt. Den Beginn setzt eine Inszenierung des griechischen Regisseurs und Ausstatters Yannis Kokkos, welche er fuer das antike Theater von Syrakus geschaffen hat. Die italienische Premiere fand im Mai dieses Jahres statt. Das postum uraufgefuehrte Werk von Sophokles zeigt den greisen Oedipus am Athener Kolonoshuegel, wo sich das Heiligtum der Eumeniden befindet. Dort erhofft er sich Erloesung von seinen Leiden. Theseus, der Herrscher von Athen, bietet dem Verbannten und Getriebenen seine Gastfreundschaft an. An einem verborgenen Ort in Kolonos, wohin sich der von Zeus zum Sterben Gerufene alleine aufmacht, findet Oedipus schliesslich seine letzte Ruhe. Die im Stueck ausgetragenen Konflikte zwischen dem Titelhelden und den Protagonisten Theseus, Antigone, Kreon und Polyneikes, erfahren keine Loesung, werden aber durch das Moment der Gastfreundschaft gleichsam aufgehoben, wie der Schriftsteller Adolf Muschg einmal treffend bemerkte. Im deutschsprachigen Raum ist die Tragoedie nicht allzu oft auf den Spielplaenen zu finden. Eine bemerkenswerte Inszenierung erfuhr das Werk im Rahmen der Salzburger Festspiele 2010 durch Peter Stein mit Klaus Maria Brandauer in der Titelrolle.

Yannis Kokkos bringt einen symbolischen Raum in das Buehnenrund, der mit wenigen, aber starken visuellen Akzenten den Kolonoshuegel, das Heiligtum und den Ort des Verschwindens resp. Sterbens von Oedipus beschreibt. Dabei ist die monumentale Halbfigur, durch welche der greise Held zum Tod schreitet, besonders eindruecklich. Die Kostueme erscheinen ebenso modern wie zeitlos. Wie bringt nun Kokkos das Werk, das statischer als andere Tragoedien daherkommt, auf die Buehne? Kokkos kommt vom Buehnenbild und wer andere Inszenierungen von ihm gesehen hat, weiss, dass er einen recht traditionellen Zugriff auf Theaterstuecke wie Opern hat. In diesem Fall erweist es sich nicht als Problem oder Schwaeche, weil der Regisseur sehr gekonnt das umfangreiche Personal durch den antiken Theaterraum fuehrt. Die Auftritte und Abgaenge, die Bewegungen des Chors und die Positionen der Protagonisten ergeben einfache, gut funktionierende Bilder. In diesem szenischen Rahmen sind es die Sprechakte der handelnden Figuren und des Chors, welche die innere Bewegung des Dramas in den Theaterraum und somit nach aussen bringen. Es ist ein Vergnuegen, den Akteuren zuzuhoeren und zu erleben, wie diese mit ihrem Sprechen den unterschiedlichen Charakteren Praesenz und Tiefenschaerfe verleihen. Sound und Musik von Alexandros Markeas tragen wesentlich zur gelungenen ‚Stimmung‘ des Abends bei. Es ist tatsaechlich eine Auffuehrung, deren besondere Wirkung sich hauptsaechlich in einer gelungenen Komposition von bestens vorgetragenen Sprechakten entfaltet. Die Macht des gesprochenen Worts ist ueber 90 spannungsvolle Minuten hinweg zu spueren.


Copyright: Athens & Epidauros-Festival

Die Besetzung des Werks vereint mehr als 30 Akteure auf der Buehne. Die drei Abteilungen des Chores machen ihre Sache dabei sehr gut und tragen dazu bei, dass das statische Moment der Tragoedie in den Hintergrund rueckt. Massimo De Francovich ist ein ausgezeichneter Oedipus, der in seinem Auftritt Weisheit und Leidenschaft in gute Balance zu setzen weiss. Um ihn herum ist ein erstklassiges Ensemble versammelt, in dem noch der von Danilo Nigrelli gespielte Bote fuer ein vokales Highlight sorgt. Fabrizio Falco als Polyneikes koennte man allenfalls ein gewissen Overacting vorwerfen, ansonsten fuegen sich jedoch die Protagonisten zu einem wunderbaren Ganzen zusammen. So seien summarisch die noch nicht Genannten ausdruecklich gelobt: Sebastiano Lo Monaco als Theseus, Roberta Caronia als Antigone, Stefano Santospago als Kreon, Eleonora De Luca als Ismene, Sergio Mancinelli als Fremder und Davide Sbrogio als Chorfuehrer. Was man an einem lauen Sommerabend in Epidauros erleben darf, ist eine Art Wiedergeburt der Tragoedie aus dem Geist des Sprechens – und dank der griechischen und englischen Uebertitel konnte jeder dem Geschehen problemlos folgen.

Das Publikum reagierte mit grosser Zustimmung und Begeisterung auf das Gastspiel aus Syrakus. Am Schluss gab es Bravorufe und stehende Ovationen.

Ingo Starz (Athen)

 

 

Diese Seite drucken