Natasha Tryantafylli. Copyright: Evi Fylaktou
Athens & Epidauros Festival, Kleines Theater des antiken Epidauros
Die Danaiden
Besuchte Vorstellung am 3. August 2019
Romantisierte Antike
Andreas Kalvos wurde 1792 auf der Insel Zakynthos geboren, die zu dieser Zeit unter venezianischer Herrschaft stand. Er war ein Poet und Gelehrter, der philhellenischen Kreisen nahestand. Kalvos lebte in Italien, in Grossbritannien, in der Schweiz und auf der von den Briten regierten Insel Korfu. Im Jahr 1818 verfasste er ‚Le Danaidi“, eine neoklassische Tragoedie in italienischer Sprache. Er griff dabei auf den Danaiden-Mythos zurueck, die Geschichte von den 50 Toechtern des Danaos, welche die 50 Soehne des Aigyptos heiraten und diese auf Geheiss des Vaters noch in der Hochzeitsnacht ermorden mussten. Danaos fuerchtete, von einem der Soehne seines Bruders getoetet zu werden. Seine aelteste Tochter Hypermestra verweigerte sich dem Ansinnen und verhalf ihrem Gatten Lynkeus zur Flucht.
Andreas Kalvos reduziert in seinem Drama die Geschichte auf die drei Figuren Danaos, Hypermestra und Lynkeus sowie den Chor und konzentriert sich, was der Text offenlegt, stark auf den Gefuehlshaushalt der Familienitglieder. Was dabei herauskommt, gleicht formal erwartungsgemaess der attischen Tragoedie, ist aber aufgrund der poetischen Sozialisierung des Autors zugleich auch ein romantisches Ruehrstueck. Es ist wirklich auffaellig, wie oft an diesem Abend von Gefuehlen die Rede ist. Man koennte vielleicht auch sagen, dass das Stueck „Le Danaidi“ ein wenig an eine romantische italienische Oper erinnert.
Die Regisseurin Natasha Triantafylli versucht der etwas schwerfaellig daherkommenden Handlung durch Musik, Gebaerden und symbolische Bilder Leben einzuhauchen. Sie gibt dem Stueck mit der Musik von Monika und dem Gesang der Sopranistin Artemis Bogri eine opernhafte Struktur. Bogri, die ihre Sache sehr gut macht, singt den Text in italienischer Originalsprache und verkoerpert gleichsam den Chor. Das macht durchaus Sinn, wenngleich die Musik etwas weniger musicalhaft klingen koennte. Die drei Akteure auf der Buehne – Lazaros Georgakopoulos, Lena Papaligoura und Aris Balis – werden in ein Korsett von streng festgelegten Gebaerden gezwaengt, was dem neoklassischen Gestus entsprechen mag, aber nicht zu einer glaubhaften Menschendarstellung beitraegt. Manchmal scheinen sich, bildlich gesprochen, die Figuren nur um sich selbst zu drehen. Die Personenfuehrung von Triantafylli macht aus Kalvos‘ Tragoedie eine Art Puppentheater. Die verspielten Kostueme, die Ioanna Tsami beisteuert, befoerdern diesen Eindruck. Das Buehnenbild von Eva Manidaki vermag immerhin mit einer langen Tuchbahn, die Buehnenhinter- und -vordergrund verbindet, einen starken Akzent zu setzen: Wir erblicken gleichsam den Stoff, aus dem das Verhaengnis erwaechst, das Requisit der Braut Hypermestra. Der Abend bietet eine interessante Begegnung mit einem wichtigen griechischen Autor und Intellektuellen des fruehen 19. Jahrhunderts, er laesst aber ein aufregendes Theatererlebnis vermissen.
Am Schluss gibt es wohlwollenden Beifall des Publikums fuer alle Beteiligten.
Ingo Starz (Athen)