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ATHEN/ Atens & Epidauros-Festival/ Odeion des Herodes Attikus: PHILHARMONIA ORCHESTRA LONDON/ Salonen/ M. Young

Struktur und Emphase

03.07.2018 | Konzert/Liederabende

Bildergebnis für esa pekka salonen
Esa Pekka Salonen

Athens & Epidauros Festival
Odeion des Herodes Attikus
Philharmonia Orchestra / Esa-Pekka Salonen
Konzert am 2. Juli 2018

Struktur und Emphase

Als das Philharmonia Orchestra aus London vor neun Jahren im Odeion des Herodes Attikus gastierte, stand wie heuer Esa-Pekka Salonen am Pult des renommierten Klangkörpers. Der Finne, der durch ein kurzfristiges Einspringen bei einem Konzert des Philharmonia Orchestras 1983 schlagartig bekannt wurde, ist seit 2008 Chefdirigent and künstlerischer Berater des 1945 von Walter Legge gegründeten Kollektivs. Allein die Namen des Dirigenten wie des Orchesters, dem ehemals Klemperer, Muti, Sinopoli und von Dohnányi vorstanden, versprachen ein hochrangiges Konzerterlebnis. So gesehen ist es bedauerlich, dass das Athener Odeion nur mässig gefüllt war. Die Anwesenden kamen jedenfalls voll auf ihre Kosten.

Im ersten Teil des Konzerts stand Beethovens 3. Sinfonie „Eroica“ auf dem Programm. Von Anfang an war erkennbar, dass Salonens Dirigat auf eine detailgenaue Strukturanalyse des viel gespielten Werks abzielte. Beethovens Musik klang nicht nur transparent und mit kammermusikalischem Gestus vorgetragen, sie entfaltete ebenso eine geradezu moderne, in jedem Fall aber facettenreiche Klangsprache. Dies war insbesondere im zweiten und vierten Satz zu erleben, wo die Themen sich frei wie Atome im Raum zu bewegen schienen. Bewegung und Auflösung des Klangs agierten als Impulse und setzten das musikalische Geschehen unter fühlbare Spannung. Sehr gelungen gerieten die Einsätze der Oboe im zweiten und der Hörner im dritten Satz. Esa-Pekka Salonens Dirigat bot eine nachdenklich-introvertierte Sicht auf die berühmte „Eroica“.

Nach der Pause gesellte sich zur strukturellen Analyse eine stärkere Brise Emphase, als Ausschnitte aus Richard Wagners Oper „Götterdämmerung“ erklangen. Das Philharmonia Orchestra lieferte ein ebenso sattes wie differenziertes Klangbild. Bei Siegfrieds Rheinfahrt und dem Trauermarsch setzten die Blechbläser durch ihr grossartiges Spiel starke Akzente. Salonen setzte bei alledem auf ein flüssiges, äusserliche Effekte meidendes Tempo. Für das finale Stück, den Schlussgesang der Brünhilde, stand die amerikanische Mezzosopranistin Michelle DeYoung zur Verfügung. Als Fricka, Brangäne oder Kundry, aber auch als Sieglinde wird sie vielerorts gefeiert. Als Brünhilde freilich überzeugte sie im Odeion mehr mit ihrer satten, dunkel getönten Mittellage als mit der hohen Lage, wo ihre Stimme doch etwas forciert und limitiert klang. DeYoung, dies sei positiv vermerkt, war stets auf die Gesangslinie bedacht und wartete mit einer guten Diktion auf. Ein wirklich eindringlicher Vortrag des Schlussgesangs gelang ihr jedoch (noch) nicht.

Das Publikum applaudierte viel und öfters an den falschen Stellen. Am Schluss war die Begeisterung für alle Beteiligten gross.

Ingo Starz (Athen)

 

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