Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

ANNABERG im Erzgebirge: DER LÖWE VON VENEDIG von Peter Gast. Premiere

07.04.2013 | Allgemein, KRITIKEN, Oper

Opernausgrabung in Annaberg im Erzgebirge: „Der Löwe von Venedig“ von Peter Gast (Premiere: 7. 4. 2013)


Das Eduard-von-Winterstein-Theater in Annaberg-Buchholz bot eine flotte, humorvolle Inszenierung (Foto: Dieter Knoblauch)

Aus Annaberg im Erzgebirge stammt nicht nur der berühmte Mathematiker Adam Ries – wer kennt nicht den Spruch „nach Adam Riese“? –, sondern auch der Komponist Peter Gast, der eigentlich Johann Köselitz (geb. 1854 in Annaberg, gest. 1918 ebd.) hieß. Er studierte am Leipziger Konservatorium
und ab 1875 in Basel bei Friedrich Nietzsche, dessen Freund und Sekretär er wurde. Nietzsche, der ihn sehr schätzte und ihn sogar als „neuen Mozart“ pries, riet ihm, sich als Komponist Peter Gast zu nennen. Mit seiner Oper „Die heimliche Ehe“, die in Danzig 1891 uraufgeführt wurde, steht er in der
Tradition einer deutschen komischen Oper, die den Versuch einer Wagner-Abkehr wagte. Da aber Cimarosas berühmte Oper gleichen Namens einem nachhaltigen Erfolg im Wege stand, schrieb Peter Gast das Werk um und nannte es „Der Löwe von Venedig“.

Nun brachte das Eduard-von-Winterstein-Theater in Annaberg-Buchholz zum 120. Geburtstag des Theaters die komische Oper „Der Löwe von Venedig“ auf die Bühne seiner Heimatstadt. Friedrich Nietzsche nannte Gasts Komposition „Frühlingsmusik“ und schrieb an ihn, dass ihm das Werk war „wie der beste Traum, den ich seit langem geträumt; es gibt noch keine Oper, bei der einem Nordländer völlig südländisch zumute wird, das bleibt Ihnen aufgespart.“ In einem Brief von Nietzsche an Hans von Bülow, in dem er seinen Freund wortreich lobt, erwähnt er auch, dass die Mutter von Gast Wienerin ist.

Die Handlung, deren Texte der Komponist nach dem Libretto „Die heimliche Ehe“ von Giovanni Bertati verfasste, in Kurzfassung: Der reiche Kaufmann Geronimo will seine ältere Tochter adelig verheiraten und hat einen verarmten Grafen aus Padua für seine Elisetta gefunden. Aber der Graf will lieber die jüngere Carolina heiraten, die wiederum den Buchhalter Paolino liebt, den sie bereits heimlich geheiratet hat. Zu allem Überfluss ist auch die alte Tante Fidalma in Paolino verliebt. Als dem jungen Paar die Flucht misslingt, bleibt ihnen nichts anderes übrig, als ihre heimliche Liebe zu gestehen. Da sich aber nun der Graf – Mitgift ist Mitgift – doch bereiterklärt, Elisetta zu ehelichen, löst sich am Ende alles in Wohlgefallen auf.

Tamara Korber gelang eine spritzige, launige Inszenierung, bei der sich das Sängerensemble sichtlich wohlfühlte und durch ihre Spiellaune dem Publikum einen unterhaltsamen Abend bot. Schon während der Pause konnte man den Zuschauergesprächen die begeisterte Zustimmung entnehmen. Die Ausstattung besorgte Robert Schrag, der einen praktikablen Bühnenraum mit drei großen offenen Fenstern schuf, durch deren mittleres man einen Blick auf die Silhouette von Venedig hatte. Die bunt gehaltenen Kostüme passten sich dem Genre der Komödie an.

Den reichen Kaufmann Geronimo gab der Bass László Varga sehr humorvoll mit Augenzwinkern, wobei er einige Male auch seinen ungarischen Akzent auf witzige Art einzusetzen wusste. Stimmlich überzeugte er ebenso wie der Bariton Jason-Nandor Tomory in der Rolle des verarmten Grafen, der seine Verzweiflung über die „falsche“ Braut auf köstliche Weise darstellte. Carolina, das „Objekt“ seiner Begierde, wurde von der jungen Sopranistin Madelaine Vogt blendend gespielt und eindrucksvoll gesungen – ihr Sopran leuchtete in jeder Höhe! Ihren geheimen Ehemann Paolino gab der Tenor Frank Unger mit ausgelassener Fröhlichkeit, die ihm allerdings verging, als ihm Geronimos Schwester Fidalma – mit viel Humor und schrägem Witz von der Mezzosopranistin Therese Fauser gespielt – ihre Liebe mit Nachdruck zu beweisen suchte. Elisetta, die schließlich doch noch ihren Bräutigam bekam, wurde von der Sopranistin Bettina Grothkopf dargestellt, die ihre Rolle der „Verschmähten“ gleichfalls mit viel Humor würzte. Ihre Eifersucht auf ihre bei den Männern erfolgreichere Schwester Carolina mündete in einem Duell mit Regenschirmen, das die Tränendrüsen des Publikums strapazierte.

Der Chor des Eduard-von-Winterstein-Theaters (Einstudierung: Uwe Hanke) war als reges Dienstpersonal mehr schauspielerisch als stimmlich gefordert. Die lieblich klingende Partitur des „wiederentdeckten“ Komponisten Peter Gast wurde von der Erzgebirgischen Philharmonie Aue unter der Leitung des engagiert dirigierenden Naoshi Takahashi schwungvoll wiedergegeben.
Nietzsches Einschätzung seines Freundes als „neuen Mozart“ muss man zwar als philosophische Übertreibung bezeichnen, dennoch muss dem Theater von Annaberg-Buchholz zur Ausgrabung dieses Werks und zur flotten Inszenierung gratuliert werden.

 Das festtagsgestimmte, begeisterte Publikum war wohl der gleichen Meinung, sparte nicht mit Szenenapplaus und belohnte am Schluss alle Mitwirkenden und das Regieteam mit großem Beifall und einigen Bravo-Rufen.

 Udo Pacolt, Wien – München

 PS: Vor der Premiere fand eine halbstündige Feier anlässlich des 120. Geburtstags des Eduard-von-Winterstein-Theaters mit Festreden von Intendant Dr. Ingolf Huhn, der die historische Entwicklung des Theaters beleuchtete, und von Landrat Frank Vogel, der über die kulturelle Bedeutung dieses Hauses für die gesamte Region des Erzgebirges sprach, und einer kurzen Lesung aus „Egmont“ statt.

  

 

Diese Seite drucken