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AMSTERDAM/ De Nationale Opera: TRISTAN UND ISOLDE

26.01.2018 | Oper

Bildergebnis für amsterdam tristan und isolde
Ricarda Merbeth, Stephen Gould. Copyright: Ruth Waltz

AMSTERDAM / De Nationale Opera: TRISTAN UND ISOLDE – 25. Januar 2018

Im vollkommen ausverkauften Haus lief das Wagnersche Liebesdrama in der Inszenierung des fast seit 30 Jahren als Direktor tätigen Pierre Audi mit den von Christof Hetzer entworfenen Bühnenbildern und Kostümen über die Bühne. Es handelt sich um eine Co-Produktion mit der Oper von Rom und des Pariser Champs- Elysees.

Bühnenbilder und Kostüme sind durchweg in einer düsteren schwarz-grauen Farbe gehalten und betonen die teilweise depressive Stimmung. Der 1. Aufzug zeigt ein rostiges Schiff, dessen Bestandteile sehr geschickt der Handlung angepasst verschoben werden. Im 2.Aufzug sieht man große gummiartige Pflanzen, die immer mehr versteinern, je stärker die Nacht dem Tage und damit der Katastrophe weicht. Und der 3.Aufzug scheint in Afrika zu spielen. Steine, Sand, ein verdorrter Baum und ein auf hohe Holzstelzen gestellte  afrikanische Grabstätte beherrschen das Bild. Im Hintergrund sieht man Wasser schimmern.

Viele neue Aspekte deckt Audi in der Beziehung der Figuren zueinander in einer sehr überzeugenden Personenführung auf. Das Liebespaar stürzt sich auf den Trank, wird wie von einem Magneten auseinander und wieder zusammengezogen. Und ihre Liebe ist platonisch: Sie schauen sich in der Liebesnacht nicht ins Gesicht oder gar in die Augen. Sie stehen fast schüchtern nebeneinander. Während Brangänes Wachrufen liegen sie keusch Rücken an Rücken, sich nur andeutungsvoll berührend. Erst als Tristan Isolde fragt, ob sie ihm folgen wolle, blicken sie einander an. Ihre Liebe ist eine so besondere, unfassbare, unendliche, dass sie mit unseren Maßstäben nicht zu messen oder darzustellen ist. Hier haben sich zwei Seelen gefunden, die alle und alles zwischen ihnen und der Welt ausschließen. Deshalb wird auch verständlich, dass immer wieder schwarze Blöcke oder Vorhänge niedergelassen werden, die das Liebespaar von der Welt isolieren.

Neu durchdacht ist das Beziehungsgeflecht zwischen Marke, Melot und Tristan. Melot  ist ein körperlich verkrüppelter älterer Mensch, der stark gebeugt mit Krücken über die Bühne schlurft. Er ist das Böse schlechthin. Man ist sich nicht sicher, ob König Marke ihn nicht sehr bewusst einsetzt, um sich an Tristan zu rächen. Die Figur des Onkels bleibt zwiespältig. Vor seinem Abgang im 2. Aufzug gibt er Melot ein Zeichen, von dem man nicht weiß, ob er ihn abschütteln will oder er ihn zur  Tötung Tristans anstiftet. Jedenfalls sticht Melot Tristan sofort mit einem versteckten Messer nieder. Der dritte Aufzug, der Tristans Leiden in berührender Weise zeigt, endet in einem furchtbaren Gemetzel. Kurwenal ersticht sogar die treue Brangäne (als Rache für die Mischung des Liebestrankes?). Isolde entschwindet der Welt. Im Liebestod wird sie nur noch als Schattenriss sichtbar. Eine höchst interessante, neue Diskussionen und Fragen aufwerfende Inszenierung!

Marc Albrecht leitet das sicher und mit schönem Ton spielende Nederlands Philharmonisch Orkest. An keiner Stelle sind die Sänger gedeckt. Die Tempi sind fließend und die unendliche Melodie der Wagnerschen Musik kommt hervorragend zur Geltung. Der Chor singt in der Einstudierung von Ching-Lien Wu  mit kräftigen und sauberen Stimmen.

Eine vorzügliche Besetzung steht zur Verfügung. An der Spitze steht Stephen Gould mit seinem bronzen-glänzenden, unendlich kräftigen und ausdrucksvollen Tenor. Wenn er in seinen Monologen von seinen vor und während seiner Geburt sterbenden Eltern erzählt, schnürt er dem Hörer fast die Kehle zu. Seine stattliche Figur passt zu diesem überdimensionierten Helden und höchst unglücklichen Menschen. Seine Isolde ist die nun voll im hochdramatischen Fach angekommene Ricarda Merbeth. Eine temperamentgeladene Frau, die die stolze irische Königstochter höchst überzeugend darstellt und mit strahlender, kräftiger und in allen Lagen gut durchgebildeter Stimme singt. Weitere Erfahrung mit der Rolle wird sicher zu einer Verfeinerung der Zwischentöne führen.

Michelle Breedt  besitzt nach wie vor einen sehr angenehm timbrierten Mezzosopran, den sie mit deutlicher Artikulation als treue Brangäne einsetzt. Iain Patersons kräftiger, heller und sehr gut sitzender Bariton macht ihn zu einem idealen Kurwenal, der sich seinem Herrn opfert. Günther Groissböck ist ein junger. in seinem Leid und Stolz hin-und her gerissener König mit einem prachtvollen ausdrucksstarken Bass ausgestattet, der seinesgleichen sucht. Und der unheimliche Melot von Andrew Rees wird plötzlich zur Hauptrolle, so sehr rückt er durch Darstellung und scharfem Charaktertenor in den Mittelpunkt. Morschi Franz, Roger Smeets und Martin Piskorski  ergänzen als Hirt, Steuermann und Seemann.

Kräftiger Beifall für einen höchst niveauvollen Abend!

Johann Schwarz

 

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