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Debüt-CD „AQUARELLES“: NOGA QUARTET und SIOBHAN STAGG – Werke von REYNALDO HAHN und CLAUDE DEBUSSY –

14.11.2019 | cd

Debüt-CD „AQUARELLES“: NOGA QUARTET und SIOBHAN STAGG – Werke von REYNALDO HAHN und CLAUDE DEBUSSY – CAvi music

Drei Musiker aus Frankreich, einer aus Israel/Italien (Simon Roturier 1. Violine, Lauriane Vernhes2. Violine, Avishai Chameides Viola und Joan Bachs Cello) gründeten in Berlin vor 10 Jahren ein Streichquartett, das Noga Quartet. Ihre Ensemble-Ausbildung erhielten sie bei renommierten Kollegen. Sie brachte sie unter anderem mit dem Alban Berg Quartett und dem Artemis Quartett zusammen. Außerdem spielen die begeisterten Kammermusiker als Orchestermusiker u.a. bei den Berliner Philharmonikern (Primarius Roturier seit 2011) und beim Deutschen Symphonie Orchester Berlin (Vernhes).

Welch Unterschied zu all den „PR early birds“ und überschnellen Visitenkarten-CD Produzenten vom Kammermusik, dass die schon in aller Welt Erfolgreichen erst nach einer so langen Zeit des Zusammenspiels ihre erste CD aufgenommen haben.

Das Album ist französischem Repertoire verpflichtet. Erfreulich ist, dass nach der rezenten Veröffentlichung sämtlicher Lieder mit dem Bariton Tassis Christoyannis und Jeff Cohen am Klavier (Palazzetto Bru Zane) nun auch das zweite Streichquartett in F-Dur des Reynaldo Hahn in einer überragenden Einspielung erhältlich ist. Für das Noga Quartet atmet dieses Quartett „die Luft des Wohlbefindens, der Nostalgie, der Eleganz und der Leichtigkeit.“ Obwohl 1939 fertig gestellt, wird mitten in der Zeit der deutschen Besatzung ein freies Paris, das Paris der Belle-Époche heraufbeschworen. Der erste Satz klingt in seiner melodiösen Selbstverliebtheit wie überreif schöner später Richard Strauss. Nach einem kurzen zweiten Satz „très mouvementé“ hören wir ein wunderbar lyrisch getragenes, ruhig atmendes Andante. Im vierten sehr schnellen Satz ist wieder alles im salonhaft unbeschwerten Lot, kecke Ausgelassenheit markiert den Ausklang des kulinarisch exquisiten Quartetts von Hahn. 

Interpretatorisch interessant ist, dass sich das  Noga Quartet die Aufnahmen mit Reynaldo Hahn als sich selbst am Klavier begleitender Sänger angehört hat (Link https://www.youtube.com/watch?v=P_o8gW2VB58) und sich von den flexiblen Tempi, den mutigen Rubati inspirieren hat lassen. Und wirklich: Das Spiel dieser außerordentlichen Formation atmet Freiheit, phrasiert musikalisch fundiert und persönlich empfunden, es vereint klassisches Maß mit improvisatorisch wirkendender Intensität. Die Interaktion der Vier ist beispielhaft. Cellist Joan Bachs kommuniziert so aufmerksam und lebendig, wie wir das von Gautier Capuçon kennen. Überhaupt ist das harmonische Miteinander im Klang diesem eigentlich urwienerisch klingenden Ensemble wichtiger als individuelle Alleingänge und kämpferisch ausgetragene solistische Ausritte. Die Sanglichkeit und der sinnliche Schmelz der Vier sind tatsächlich atemberaubend.

Joan Bachs ist es, der die „Ariettes Oubliées“ nach Texten von Paul Verlaine von Claude Debussy für Sopran und Streichquartett gekonnt arrangiert hat. Die australische lyrische Koloratursopranistin Siobhan Stagg, Ensemblemitglied der Deutschen Oper Berlin (sie wird am 26.1.2020 in der Premiere von Brittens „A Midsummer Night‘s Dream“ als Titania mitwirken), singt die sechs in der Begleitung bunt veredelten Lieder intim, stilistisch makellos und dennoch immer mit der expressiven Gebärde einer modernen jungen Frau. Das wundersame Legato, die mondklare Schönheit des Timbres, sowie die federleichten Höhen machen Frau Stagg zu einer idealen Debussy Interpretin. Textdeutlichkeit, die kunstvolle Gestaltung vokaler Linien und klangliche Qualität gehen Hand in Hand.

Den Abschluss des Albums bildet das Streichquartett in g-Moll von Claude Debussy, in letzter Zeit von einigen Ensembles auf Tonträger vorgestellt. Atmosphärisch, von der rauschhaften Leuchtkraft des Stücks und dem Ausloten der überwiegend impressionistisch gemischten Klangpalette (Avishai Chameides auf der Viola!) bleibt auch hier kein Wunsch offen. Hörvergnügen pur!

Anmerkung: Der Primgeiger des Noga-Quartets heißt Simon Roturier und nicht Simon Routier, wie im Booklet angegeben. 

Dr. Ingobert Waltenberger

 

 

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